Zu sehen ist ein altes Gemälde, das den Bremer Ratsherrn Gerhard Coccejus wiedergibt. Er trägt einen vornehmen Spitzenkragen und einen Spitzbart. emälde, zeigt Cocceius mit Spitzbartz und zeitgenössischer Kleidung

Januar 2021

Das Bildnis des Ratsherrn Gerhard Coccejus

Neu in der Sammlung

Von Alexandra Albrecht

Die Augen schauen den Betrachter ernst und nachdenklich an, die Pose wirkt zurückhaltend – bremisch. Für sein Bildnis hat der Ratsherr Gerhard Coccejus (1601-1660) sich fein angezogen und einen kostbaren weißen Kragen sorgfältig auf dem dunklen Rock drapiert. Akkurat gab der Maler die Verzierungen der Spitze wieder, auch das schon lichter werdende Haupthaar und den exakt geformten Spitzbart nach spanischer Mode. 

Das Gemälde verrät Geburtsjahr und Monat des Porträtierten, Juli 1601, und das Jahr seiner Entstehung, 1639. Gerhard Coccejus ist damals also Ende 30 und lehrt als Professor für Jura am Gymnasium Illustre seiner Heimatstadt, wo er einst studiert hatte, bevor er an die Universitäten Rostock, Köln und Frankfurt/Oder wechselte. 1640 wird er Ratsherr, der Beginn seiner politischen Karriere. Als Gesandter Bremens und der Hanse nimmt er an den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden in Osnabrück und Münster teil, die das Ende des Dreißigjährigen Krieges besiegeln sollen. Dank moderner  Befestigungsanlagen hatte Bremen relativ wenige Schäden im Krieg erlitten. Aber nach Streitigkeiten im bremischen Rat wechselt Coccejus 1653 als Kanzler des Fürsten von Ostfriesland nach Aurich und übernimmt zudem eine Professur in Groningen. Zu Besuch in seiner Geburtsstadt stirbt er dort 1660.

Sein Bildnis begegnet uns auch im Katalog der Ausstellung  „Kunst und Bürgerglanz in Bremen“, die anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Focke-Museums zu sehen war. Dieses umfangreiche Kooperationsprojekt, an dem sich unter anderem auch die Kunsthalle Bremen und die Städtische Galerie beteiligten, basierte auf einem aufwendigen Forschungsprojekt zu Bremer Porträts, auch denen in Privatbesitz, unter Federführung von Angelika Lorenz.  

Dank des Engagements des Vereins zur Förderung des Focke-Museums konnte das Coccejus-Bildnis mit privaten Spenden angekauft werden. Es ergänzt das umfangreiche Konvolut  Bremer Porträts als ein frühes Beispiel, denn in der Hansestadt haben sich fast keine Bildnisse des 15. und 16. Jahrhunderts erhalten, erst seit den 1630er-Jahren erlebte die Porträtmalerei einen Aufschwung.    

Zu sehen ist ein altes Gemälde, das den Bremer Ratsherrn Gerhard Coccejus wiedergibt. Er trägt einen vornehmen Spitzenkragen und einen Spitzbart. emälde, zeigt Cocceius mit Spitzbartz und zeitgenössischer Kleidung
Der Bremer Ratsherr Gerhard Coccejus / (c) Focke-Museum/Martin Luther

Der unsymmetrisch gesetzte Bogen am oberen Bildrand deutet darauf hin, dass das Gemälde nachträglich beschnitten worden ist. Vielleicht trug es früher den Namen des Künstlers, heute verrät es uns nicht, wer es geschaffen hat. In der wenig kunstsinnigen Handelsstadt wurden im 17. und 18. Jahrhundert Porträts vor allem bei Malern bestellt, die sich gerade in der Stadt aufhielten und über einen guten Namen verfügten. Zu ihnen gehörten seinerzeit Simon Peter Tilman, Franz Wulfhagen und Wolfgang Heimbach. Sie alle hielt es nicht in Bremen, Tilman und Wulfhagen zog  es u.a. in die Niederlande, Heimbach nach Italien. Von Letzterem ließ sich etwa das Ehepaar Graeveus 1636 malen, mit Distinktionsmerkmalen wie teurer Kleidung und Schmuck ausgestattet und auf bürgerliche Selbstdarstellung bedacht. Bernhard Graeveus war ebenfalls Jurist und Ratsherr. In seiner Nähe ist nun auch das schlichtere Bildnis seines Zeitgenossen Gerhard Coccejus´ in der Dauerausstellung des Focke-Museums zu sehen.    

Bis heute ist in Bremen der Name Coccejus im Stadtbild präsent, eine Straße in Schwachhausen erinnert an Gerhard und seinen Bruder Johannes, einen Theologen, die beide die latinisierte Form des Nachnamens Coch trugen.  

Von Bremen ins Grüne Gewölbe und zurück

Von Dr. Alfred Löhr

Durch den spektakulären Diebstahl im Jahr 2020 ist das Grüne Gewölbe in Dresden noch einmal in das Interesse der Öffentlichkeit gerückt. Kaum jemand in unserer Stadt weiß, dass eine andere Kostbarkeit aus dieser ehemaligen Sammlung des sächsischen Königs im Jahr 1929 nach Bremen „entführt“ wurde. Damals geschah das allerdings mit Wissen und großzügigem Entgegenkommen der dort Verantwortlichen, gegen Zahlung eines angemessenen Kaufpreises und durch Verhandlungsgeschick des damaligen Direktors des Focke-Museums, Ernst Grohne, denn solche Geschäfte zwischen Museen sind damals wie heute ungewöhnliche Ausnahmen.

Das Objekt seiner Begierde war eine kleine Anhängeruhr, ein kostbares Schmuckstück, dessen mechanisches Werk um 1645 von dem Bremer Uhrmacher Friedrich Hübner angefertigt und signiert worden war. Das kreuzförmige Gehäuse besteht aus einer silbervergoldeten Fassung mit einem Deckglas von geschliffenem Bergkristall. Es wurde von Hübner wahrscheinlich aus Augsburg bezogen.

Warum und auf welchem Weg war fast 300 Jahre vor dem Ankauf Grohnes wohl das wertvolle Kunststück von Bremen nach Dresden gekommen?

Glücklicherweise wissen wir aus den „Rhederbüchern“, also den Ausgabenbüchern des Rathauses, dass 1645/47 unser Uhrmacher mindestens vier kleine „Zeiguhren“ anfertigte, die der Ratsherr Dr. Gerhard Coccejus (Coch) mit nach Osnabrück nehmen sollte, wo in diesen Jahren um die Folgen des zu Ende gehenden Dreißigjährigen Krieges verhandelt wurde. Dem bremischen Gesandten dienten sie als Bestechungsgeschenke für einflussreiche Teilnehmer des Friedenskongresses, die ihn bei der Durchsetzung bremischer Interessen, vor allem im Hinblick auf Zollfragen und den unabhängigen Status der Hansestadt unterstützen sollten.

Ein Anhänger in Form eines Kreuzes, in dem eine Uhr verborgen ist.
Anhängeruhr von 1645. © Focke-Museum/Martin Luther
Die Rückseite der Uhr.
Rückseite der Uhr. © Focke-Museum/Martin Luther

So liegt die Vermutung nahe, dass unsere Uhr aus diesem Geschenkfundus stammt und über diplomatische Umwege an den sächsischen Hof kam. Solche Kunstkammerstücke und Goldschmiedearbeiten waren wie eine Währung, die bei Bedarf als „Verehrung“ oder Bezahlung eingesetzt werden konnten, vor allem dann, wenn es um inoffizielle Transaktionen und die Erwartung von Gegenleistungen hochgestellter Persönlichkeiten ging. Einen ähnlichen Hintergrund dürften die drei silbernen Pokale haben, die nach Ausweis der Stempelung um 1600 in bremischen Werkstätten geschmiedet wurden und sich heute in der Rüstkammer des Moskauer Kreml befinden. Zurück nach Bremen gelangte auch aus der Sammlung des russischen Großfürsten Orloff ein zierlicher, reich dekorierter Pokal, der hier um 1600 von Bartel Hildebrandt geschaffen wurde. Bei ihm gab der Rat wiederholt vergoldete Pokale in Auftrag, auch diese waren typische Geschenkartikel für durchreisende Potentaten und heikle diplomatische Sonderaufgaben. Das Grüne Gewölbe, die Moskauer Rüstkammer und andere feudale Kunst- und Wunderkammern sind voll von ähnlichen Kunstobjekten. Ganz bescheiden nimmt sich dagegen unsere moderne Installation eines „Kunstkammerschranks“ aus, der einschlägige Schätze der Museumssammlung präsentiert und mitsamt der Kreuzuhr des Bremer Meisters Hübner im Schaumagazin unter „G wie Gestalten“ zu finden ist. Ein weiteres Werk des Uhrmachers wird im Hauptgebäude neben dem markanten Turmuhrwerk ausgestellt.