Die farbige Kohlezeichnung zeigt das alte Focke-Museum in der Großenstraße.

Das Focke-Museum besteht seit 100 Jahren

Erinnerung an direktor Ernst Grohne

Vor 100 Jahren übernahm der Kulturhistoriker Ernst Grohne die Leitung des Gewerbemuseums und des Historischen Museums Bremens, deren Fusion zum Focke-Museum er noch im selben Jahr vollendete. Das Gewerbemuseum verfügte über eine Modell- und Mustersammlung, die Handwerkern zur Ausbildung und Schulung diente, zum Historischen Museum gehörte eine Sammlung historischer Altertümer aus Bremen, die unter anderem aus der Kollektion Johann Fockes stammten. Damit und mit der späteren Aufnahme archäologischer Sammlungsbestände legte Grohne das Fundament für das Bremer Landesmuseum, wie wir es heute kennen. Zu den größten Verdiensten Grohnes zählt die Rettung der Museumsbestände während des Zweiten Weltkriegs, die er rechtzeitig auslagerte und somit vor den Bombenangriffen schützte.

Ernst Grohne, Direktor des Focke-Museums von 1924 bis 1953.

Ernst Grohne kommt 1888 in Hessen zur Welt, von 1907 bis 1913 studiert er in Tübingen und Göttingen Geschichte, Geografie und Sprachwissenschaften. Von 1919 bis 1924 arbeitet er am Museum für Hamburgische Geschichte, noch im selben Jahr folgt der Wechsel nach Bremen. Wegen der Zusammenlegung der beiden Museen und der Erarbeitung einer neuen Dauerausstellung bleibt das Gebäude in der Großenstraße drei Jahre geschlossen. Für das neue Konzept ist die Zusammenfassung der beiden Sammlungen ein Idealfall, denn historische, kultur- und kunsthistorische Objekte ergänzen sich nun, wenn auch das Gefüge der beiden Vorgänger deutlich erkennbar bleibt. „Der allgemeine Rundgang führt so vom Naheliegenden, heimatlich Engumgrenzten und daher leichter Verständlichen zu den künstlerischen gesteigerten, komplizierteren und mithin schwieriger zu erfassenden Sphären der Stilgeschichte“, beschreibt Grohne sein Konzept. Die Ästhetik der Präsentation ist unter Grohne nicht mehr von Fockes Überfülle und persönlichem Zugriff geprägt, sie wirkt nun geordneter und wird als „wissenschaftlich“ bewertet. Gleichzeitig beginnt er, der über keinerlei archäologische Ausbildung und Erfahrung verfügt, sich mit Bodenfunden aus Bremen und Niedersachsen zu beschäftigen. 1932 erlässt der Senat ein Denkmal- und Naturschutzgesetz. Noch kurz vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten wird Grohne am 24. Februar 1933 zum ersten amtlichen Denkmalpfleger für das bremische Staatsgebiet ernannt. Sandra Geringer und Dirk Mahsarski haben zu Grohnes Ausgrabungen und seiner Rolle im Nationalsozialismus für die Ausstellung „Graben für Germanien. Archäologie unter dem Hakenkreuz“, die 2013 im Focke-Museum zu sehen war, geforscht und ihre Erkenntnisse in einem Kapitel des begleitenden Katalogs niedergeschrieben, das als Grundlage dieses Beitrags dient.

       

Zwischen 1931 und 1945 führt Grohne viele Ausgrabungen im Bereich der bremischen Flussmarschen durch. Seine wichtigste Ausgrabung ist das völkerwanderungszeitliche Gräberfeld auf der Mahndorfer Düne, wo die Bevölkerung schon vorher Urnen gefunden hatte. Denn in diesem Bereich, der damals noch zu Niedersachsen gehört, werden während des Nationalsozialismus große Mengen Sand, zum Beispiel für den Bau der Autobahn 1, abgebaut. Auf dem Gräberfeld hätten die Chauken und Sachsen vor 2000 Jahren begonnen, ihre Toten zu verbrennen und zu bestatten. Auch Pferdeopfer und kultische Handlungen seien dort vorgenommen worden, so Grohne in einem Zeitungsartikel. Eine Vielzahl an Urnen, Leichenschüttungen, Körpergräbern und 20 Pferdebestattungen sichert Grohne hier mit Männern des Reichsarbeitsdienstes. Ohne das „Jahrtausende alte rassisch saubere und reingermanische Volkstum“ wäre die Marschenkultivierung nicht denkbar, schreibt Grohne, der seit 1937 Mitglied der NSDAP ist, im Jargon des Nationalsozialismus. Wenn die jüngere Forschungsliteratur Grohne auch eine völkische Gesinnung bescheinigt, so habe er die Grabungsergebnisse trotzdem betont sachlich dargestellt, urteilen Geringer/Mahsarski.

Fundstück aus einem Frauengrab auf der Mahndorfer Düne. Die vergoldete Scheibenfibel aus vergoldeter Bronze zierte einen Mantel. Das Objekt stammt aus der Zeit um 650 n. Chr.

Ursprünglich gingen die archäologischen Funde aus Bremen und der Region an das Städtische Museum für Natur-, Völker- und Handelskunde, dem Vorgänger des heutigen Übersee-Museums. Weil dort eine rassenkundliche Abteilung eingerichtet werden sollte, gab es Überlegungen, die Archäologie an das Focke-Museum anzugliedern. 1937 wird dort in zwei Kellerräumen die erste archäologische Dauerausstellung eröffnet, die neben Objekten des Übersee-Museums auch ein großformatiges Modell eines Großsteingrabes enthält.

Weitsichtig schließt Ernst Grohne schon zwei Jahre später nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs das Museum. Umsichtig werden die nicht in das Gebäude fest installierten Exponate an dreißig verschiedenen Orten außerhalb der Stadt ausgelagert. Dadurch können fast die gesamten Museumsbestände gerettet werden, mit Ausnahme der im Gebäude verbliebenen Objekte. Denn nachdem das Museum im Stephaniviertel 1942 schwer getroffen wird, wird es zwei Jahre später durch Bomben vollständig zerstört.

1953 erhält das Focke-Museum eine erste Ausstellungsfläche im Gut Riensberg. Elf Jahre später erfolgt die Eröffnung des neuen Landesmuseums, des ersten deutschen Museumsneubaus nach dem Krieg.

Heute erinnert noch der Weg, der vor dem Eingang des Haupthauses rechts am weitläufigen Museumsgelände vorbeiführt, an Ernst Grohne. Auch in der Ausstellung ist der erste Direktor des Focke-Museums präsent: In der Wissenswerkstatt Archäologie im Eichenhof sind Urnenfunde aus Mahndorf zu sehen, ebenso im Schaumagazin unter dem Begriff „Zu Grabe tragen“ des nach Buchstaben von A bis Z geordneten Magazins.

Die Zeichnung am Kopf dieser Seite zeigt die Ansicht des Focke-Museums in der Großenstraße im Stephani-Viertel.